Sehr geehrte Frau Dr. Krause, sehr geehrte Frau Dr. Weber,
in dem o. g. Antrag zweier Verbände und einer Fachgesellschaft wird unter Punkt 6.g. „Inwieweit ist der Vorschlag für die Weiterentwicklung der externen Qualitätssicherung relevant?“ u. a. ausgeführt: „Förderung einer aktivierenden, therapeutischen Pflege durch Erlösanreize. Hier lassen sich durch die Einführung des PKMS deutliche Veränderungen bei den Handlungskonzepten feststellen, was beispielsweise der Patientengruppe demenziell erkrankter Patienten zugutekommt. Eine Qualitätsverbesserung wird zunehmend sichtbar.“ Dazu bezieht die Deutsche Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege i. G. wie folgt Stellung:
Die Aktivierend-therapeutische Pflege ist in den krankenhausrelevanten frührehabilitativen Komplexcodes (OPS 8-550, 8-552, 8-559) gefordert und verankert. Dort ist ebenfalls beschrieben, dass diese durch geschultes Pflegepersonal zu erbringen ist. Unstrittig ist, dass sich Handlungskompetenz aus Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz zusammensetzt.
Im Mittelpunkt der Aktivierend-therapeutischen Pflege steht u.a. die Absprache und Abstimmung der pflegerischen Frührehabilitationsziele zwischen Patient und Pflegenden und die darauf folgenden pflegerischen aktivierend-therapeutischen Interventionen zur Förderung der Alltagskompetenz. Genau dieser Schritt ist unter Zuhilfenahme des PKMS-E nicht möglich, da der individuelle und begründete Auswahlprozess einer Intervention nicht ersichtlich ist. Deshalb ist weder Prozess- noch Ergebnisqualität durch PKMS-E beurteilbar, zumindest nicht durchgängig und abschließend.
Gemeinsame Ziel- und Interventionsabsprachen sind nur dann möglich, wenn Patienten während der pflegerischen Versorgung, die Möglichkeiten der Partizipation haben. Hier sind zu nennen,
- das kontinuierliche Entscheiden und/oder Mitentscheiden der Patienten und/oder Bezugspersonen,
- aufbauend auf der Grundlage von Ressourcen und Selbsterfahrung,
- sowie die begleitenden Anleitungen und Beratungen zu den Interventionen zurpflegerischen Selbstversorgung, mit dem Ziel, die Alltagskompetenz und die Teilhabe zu steigern oder mindestens zu erhalten.
Diese genannten Aspekte der Beziehungsarbeit sowie das Fachwissen, das hier durch „besonders geschultes Pflegepersonal“ eingebracht wird, werden von den PKMS-E relevanten Interventionen nicht oder nur unzureichend bedacht und abgedeckt. Entscheidungsschritte sind in der PKMS-Systematik starr vorgegeben, individuell- bedarfsorientiertes Pflegen, ein entscheidendes Merkmal für Versorgungsqualität, ist damit nicht möglich.
Im Fachbereich Geriatrie wurde bereits das Konzept der „Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie“ entwickelt, liegt inzwischen auch veröffentlicht vor und wurde wissenschaftlich evaluiert. Dieses Konzept setzt ein fachspezifisches Wissen und Können voraus, ein entsprechendes Fachweiterbildungscurriculum zur „Fachkraft für Aktivierend- therapeutische Pflege in der Geriatrie“ liegt gleichfalls vor. Die Fachweiterbildung schult neben fachlichen Aspekten auch zu relevanten Handlungskonzepten. Damit kann Fachkompetenz erworben und bei erfolgreichem Abschluss der Fachweiterbildung auch nachgewiesen werden, Handlungskompetenz wird somit entwickelt.
Darstellung pflegerischer Qualität kann nicht durch ein Instrument erreicht werden, das ausschließlich auf Begründungen und Interventionen ausgelegt ist und welches für Abrechnungszwecke entwickelt wurde und dort Anwendung findet. Qualitätskriterien fehlen im Instrument PKMS.
Das Qualitätsniveau der Pflege in der Frührehabilitation entsteht in einem Zielsetzungs-, Aushandlungs- und in einem steten, an den Patienten angepassten Begleitungsprozess durch besonders geschulte Pflegekräfte in der Aktivierend-therapeutischen Pflege. Sie richtet sich dabei an den Ressourcen des Patienten aus. Dies bedeutet, dass keinerlei zielorientierte pflegerische Intervention als vollständige passive Pflegeübernahme zu erbringen sein kann. Genau diese passiven pflegerischen Interventionen („volle Übernahme“) sind aber kennzeichnend im PKMS-E. Also stellt sich die nächste Frage, wie Pflegende gemeinsam mit dem Patienten diesen Widerspruch oder Spagat zwischen der Aktivierend-therapeutischen Pflege (OPS 8-550, 8-552, 8-559) und vollständiger Pflegeübernahme (OPS 9-20) praktisch in der täglichen Pflege und folgerichtig auch dokumentationstechnisch lösen sollen.
Die Dokumentation von pflegerischen Leistungen, die zur Abrechnung des Zusatzentgeltes nach OPS 9-20 erbracht werden muss, führt zu überflüssiger und auch überbordender Dokumentation. Es werden Anreize gesetzt, möglichst viele pflegerische Maßnahmen zu dokumentieren, deren Anlass und Erbringung höchst unklar sind oder die aufgrund der in der Praxis anzutreffenden Strukturen nicht durchgeführt werden können (Stichwort Fachkräftemangel).
Die im Antrag benannte Qualitätssteigerung für die Gruppe demenziell erkrankter Patienten ist unserer Meinung nach auf den bundesweit wachsenden Anteil solcher Patienten in Krankenhäusern und der damit verbundenen praktischen Herausforderung, diese Patienten pflegerisch zu versorgen, zurückzuführen. Eine angemessene Versorgung kognitiv veränderter Patienten muss präventive Aspekte beinhalten, um die Belastungen für diese Menschen so gering wie möglich zu halten. Dazu gehören u.a. eine entsprechende Milieugestaltung, ausreichend Zeit und fachlich kompetente Bezugspersonen. Dies sind Qualitätsaspekte, die bewertbar sind und die zu fördern sind. Für den Umgang mit diesen Patienten sind spezifische Pflegekonzepte entwickelt worden, die zunächst im Bereich der Altenpflege Anwendung fanden, nun aber auch in den Krankenhäusern umgesetzt werden.
Das Konzept der Integrativen Validation nach Nicole Richard (IVA) ist solch ein pflegerisches Arbeitsmittel. In der Fachweiterbildung für Aktivierend-therapeutische Pflege in der Geriatrie ist das Konzept der IVA Pflichtschulungsbestandteil.
Der PKMS-Katalog bildet einen kleinen Ausschnitt aus dem vielfältigen Gesamtspektrum aller pflegerischen Maßnahmen aller Fachbereiche der Medizin ab. Die Besonderheiten der Aktivierend-therapeutischen Pflege, die in den Komplexbehandlungen gefordert werden, bilden sich nicht in der PKMS-Systematik ab. Deshalb kann durch den OPS 9-20 bezogen auf PKMS-E zumindest in den Fachbereichen, für die Komplexcodes definiert sind, niemals eine Beurteilung der Pflegequalität vorgenommen werden.
Die Deutsche Fachgesellschaft Aktivierend-therapeutische Pflege muss aus diesen Gründen der Formulierung im o.g. Antrag die Zustimmung verweigern. Die Weiterentwicklung des OPS 9-20 bezogen auf PKMS-E hat keine Relevanz und ist ebenso wenig eine Option für die externe Qualitätssicherung wie der OPS 9-20 in der bisher geltenden Form.
Friedhilde Bartels